Gesetzteslage zur Wildtierrettung

Vorbemerkung

Im Folgenden möchte wir eine Übersicht über die Rechtslage und einige Gerichtsurteile geben. Dabei handelt es sich weder um eine Rechtsberatung noch um einen Aufruf konfrontativ gegen Landwirtinnen und Landwirte vorzugehen. Erfolgreiche Wildtierrettung wird vor allem durch eine gute Kooperation und Vertrauen zwischen Akteurinnen und Akteuren erreicht.

Die Mahd stellt für Landwirtinnen und Landwirte eine Zeit mit erhebliche zeitliche und psychische Belastung dar. Generell stehen viele Betriebe unter erheblichen (finanziellen) Zwängen und Belastungen. Statt anzuprangern rufen wir dazu auf, in Kontakt zu treten und Hilfe und Unterstützung bei der Wildtierrettung anzubieten, am besten über etablierte Vereine.

Wildtierrettung findet in Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Lohnunternehmern, Jagdausübungsberechtigten und Freiwilligen statt. Wildtierrettung verhindert Leid und bietet die Chance ein gemeinsames Ziel trotz ggf. unterschiedlicher Standpunkte zu verfolgen, gegenseitiges Verständnis zu fördern und damit auch zur Stärkung der pluralistischen Zivilgesellschaft beizutragen. Nutzen wir diese Chance!

Welche Gesetze sind relevant?

Am 1. August 2002 trat eine Grundgesetzänderung in Kraft, in Artikel 20a wurden drei Worte eingefügt „und die Tiere“, er lautet seither: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Der Tierschutz wurde damit Staatsziel, d. h. Verfassungsnorm mit rechtlich bindender Wirkung.

In § 1 Tierschutzgesetz (TierSchG) ist ferner festgelegt, dass niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Außerdem verpflichtet § 1 des Bundesjagdgesetztes (BJagdG) eindeutig denjenigen zur Hege, dem das Jagdrecht zusteht. Neben dem BJagdG gibt es für jedes Bundesland bedingt durch die Zuständigkeiten der Gesetzgebung zusätzlich eigene Gesetzgebungen. So wird beispielsweise in Brandenburg durch  § 1 LJagdG Bbg die Hegepflicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe beschrieben. Derart ähnliche Formulierungen finden sich auch in anderen Landesjagdgesetzen. Noch strenger ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Demnach ist es laut § 39 Abs. 1 verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten.

Artikel 20a des Grundgesetzes hat eine ganz besondere Bedeutung für die Problematik des Mähtods, indem es implizit zur Anwendung von Schutzmaßnahmen verpflichtet, sofern solche verfügbar sind.

Kann die Wildrettung als Wilderei gewertet werden?

Immer wieder werden vor allem in der Jägerschaft Bedenken geäußert, dass die Wildrettung ja als Wilderei gewertet werden kann. Tatsächlich ist die Wildrettung für Nicht-Juristen eine nicht ganz einfach zu durchschauende Handlung. Tatsächlich erfüllt die Wildrettung in vielen Fällen den Tatbestand des Fangens. Immer dann, wenn Rehkitze eingesperrt werden, um sie vor dem Mähtod zu bewahren liegt der Tatbestand des Fangens vor, was ja eine Vorstufe der Wilderei ist. Das Fangen alleine ist aber noch nicht strafbar. Strafbar ist die Jagdwilderei. Sie wird im Strafgesetzbuch im §292 geregelt. Im Strafrecht findet allerdings eine Differenzierung statt und der Tatbestand wird in einen objektiven und einen subjektiven Teil gegliedert. Der objektive Teil ist also die von außen erkennbare Tat. Der subjektive Teil bestimmt die inneren Gegebenheiten. Diese Merkmale existieren nur in der Person des Täters (etwa der Vorsatz). Selbst wenn nun der objektive Tatbestand der Wilderei erfüllt wäre, so ist für eine Straftat immer auch ein erfüllter subjektiver Tatbestand nötig. Ein Merkmal des subjektiven Tatbestands ist mindestens der Vorsatz bezüglich des objektiven Tatbestands. Bei der Argumentation, die Wildrettung erfülle auch den subjektiven Tatbestand der Wilderei wird sich ein Kläger allerdings schwer tun. Um den Tatbestand der Jagdwilderei zu erfüllen ist mindestens ein bedingter Vorsatz nötig. Der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ist ein nicht einheitlich definierter Begriff, der unterschiedlichen Auffassungen unterliegt. Der Taterfolg (also die Aneignung von Wild) wird hierbei entweder billigend in Kauf genommen, für rein möglich oder für wahrscheinlich erachtet oder gleichgültig hingenommen (es gibt noch einige weitere Auffassungstheorien hierzu). Wir befinden uns hiermit allerdings quasi am unteren Ende des Straftatbestandes. Das ist mindestens gefordert, um den Straftatbestand überhaupt zu rechtfertigen.

Rein formal verlangt die Jagdwilderei einen Strafantrag, den nur der Geschädigte stellen kann. Strafverfahren durchlaufen immer ein Ermittlungsverfahren, in dem der Anfangsverdacht auf eine mögliche Straftat untersucht wird. Nach Beendigung des Ermittlungsverfahrens muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob eine Klage erhoben wird oder das Verfahren eingestellt wird. Da der §292 das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten schützt, steht für eine Anklage also die Aneignung stets im Vordergrund. Wenn für den Staatsanwalt die Absicht des Wildrettens allerdings klar erkennbar ist, und damit der Vorsatz der Aneignung ausgeschlossen werden kann, wird spätestens an dieser Stelle das Verfahren eingestellt und es kommt gar nicht erst zu einer gerichtlichen Anhörung. Deshalb braucht niemand – auch kein Jagdscheininhaber – bedenken haben, dass er mit einer ordentlich durchgeführten Wildrettung wegen Wilderei verklagt werden wird.

Welche rechtlichen Folgen drohen, wenn ein Wildtier vermäht wird?

Bei Verstoß gegen eines der angeführten Gesetze ist laut § 17 TierSchG eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe zu verhängen. Der Tatbestand ist erfüllt, wenn ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund getötet wird oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen, Leiden, länger anhaltende bzw. sich wiederholende erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt werden. Ein Verstoß liegt allerdings nur vor, wenn dies mit Absicht geschieht, oder als mögliche Folge einer Handlung billigend in Kauf genommen wird.

Natürlich hat keine Landwirtin und kein Landwirt die Absicht Tiere bei der Mahd zu töten. Für eine billigend in Kaufnahme reicht allerdings nach einschlägiger Rechtsprechung, dass keine Vorsorge getroffen wurde, obwohl im Vorjahr Rehkitze auf der Fläche vorgefunden wurden. Auch wenn bereits ein Kitz auf der Fläche getötet oder verletzt wurde muss die Mahd unterbrochen werden und Vorsorge getroffen werden um Rechtssicherheit zu erhalten.

Wer ist nach dem Gesetz zur Wildrettung verpflichtet?

Grundsätzlich stellt sich die Frage, wer rechtlich für den Schutz junger Wildtiere bei der Mahd verantwortlich ist und in welchem Umfang eine Person dafür haftbar gemacht werden kann. Aus den oben angeführten Gesetzen geht hervor, dass es in Deutschland nicht die Aufgabe des Jägers ist Wildtiere vor dem Mähtod zu bewahren. Er ist zwar durch § 1 BJagdG zur Hege verpflichtet, durch die bestehenden Gesetze und Rechtsprechungen nimmt er jedoch eine untergeordnete Rolle ein. Vielmehr steht der Landwirt bzw. der tatsächliche Maschinenführer in der Pflicht dafür zu sorgen, dass Tiere bei der Mahd nicht getötet oder gefährdet werden. Dazu gibt es bereits mehrere Rechtsprechungen. Im Folgenden werden verschiedene Urteile näher beschrieben.

Was sagt die Rechtsprechung zum Thema Mähtod?

Urteil Amtsgericht Wolfach (Az: 1 Cs 301 Js 9380/13) – Landwirt verurteilt

Ein Landwirt wurde zu einer Geldstrafe von 3.000 Euro verurteilt, nachdem er bei der Mahd seiner Wiese wissentlich zwei Rehkitze verletzt bzw. getötet hatte. Daraufhin erhob der Betroffene Einspruch mit der Überzeugung, dass der von ihm informierte Jäger dafür zuständig gewesen sei. Am 04.12.2013 verhängte das Wolfacher Amtsgericht gegen den Landwirt eine Geldstrafe in Höhe von 4.000 Euro und ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Richter sah einen Vorsatz in der Tötung der Tiere, da der Landwirt kurz nachdem er das erste Kitz schwer verletzt hatte, ein zweites tot mähte. Der Landwirt hätte Maßnahmen ergreifen müssen, um ein eventuelles zweites Kitz vor dem Tode zu bewahren.  (Ramsteiner, 2014)

Urteil Amtsgericht Hadmar (Az 1 Ds – 3 Js 12550/03) – Landwirt verurteilt

Ein anderer Fall wurde durch das Amtsgericht Hadmar, Urteil vom 29.9.2004 behandelt. Zwei Landwirte wurden zu einer Geldstrafe von 3.200 Euro bzw. 2.400 Euro verurteilt, nachdem sie acht Rehkitze ausgemäht hatten. Begründet wurde das Urteil wie im Fall zuvor, durch rohes Verhalten der Landwirte und dem daraus entstandenen Vorsatz des Tötens der Tiere. Als Begründung wurde ein Verstoß gegen § 1 TierSchG genannt.

Die Landwirte waren im vorangegangenen März bei der jährlichen Jagdgenossenschaftsversammlung, bei der verabredet wurde, dass sich die Landwirte auf Grund der hohen zu erwartenden Kitzpopulation 24 Stunden vor der Mahd beim örtlichen Jäger melden sollten. Beim darauffolgenden ersten Wiesenschnitt hielten die beiden Verurteilten diese Abmachung nur verspätet ein und mähten trotz mündlicher Abmachung vor dem Eintreffen des Jägers zwei Kitze tot. Der Jäger wollte die Wiese zwar vorab noch absuchen, war dazu aber nicht mehr gekommen. Einen Tag später meldeten die Beiden erneut die beabsichtigte Mahd nicht an und nahmen nochmals den Tod von sechs weiteren Kitzen in Kauf. (Pückler, 2005, S. 125 f.)

In den letzten Jahren gab es weitere Verurteilungen. Die Verstöße wurden bis dato zwischen 1.000 und 4.200 Euro geahndet. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung ist bisher die höchste Strafe.

Urteil Landgericht Offenburg – Landwirt freigesprochen

Am 6. November 2014 wurde ein Landwirt erstmalig von der Tötung zweier Kitze freigesprochen. Das Landgericht Offenburg sprach den Landwirt in zweiter Instanz frei, obwohl dieser in erster Instanz noch zu einer Geldstrafe mit Vorbehalt wegen dem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz verurteilt wurde. Das Urteil des Richters begründete sich in einem nicht zu erkennenden, vorsätzlichen Handeln des Landwirtes. Es habe ein unglücklicher Verlauf mit einer gewissen Fahrlässigkeit vorgelegen. (Deter, 2014)

Urteil Amtsgericht Weilheim i. OB. (Az 2 Cs 12 Js 17946 / 09) – Landwirt und Lohnunternehmer verurteilt

Ein Landwirt hat die Mitteilung über den Mähzeitpunkt seiner Wiese an den örtlichen Jagdpächter unterlassen, obwohl ihn dieser mehrmals aufforderte ihm dies telefonisch mitzuteilen. Als die Ehefrau des Jagdpächters durch Zufall sah, dass der Landwirte seine Wiese mähte, begab sie sich sofort vor Ort. Die Wiese wurde gerade von einem Lohnunternehmer im Auftrag des Landwirtes gemäht. Sie wies den Lohnunternehmer darauf hin, dass sich sehr wahrscheinlich Rehkitze in der Wiese befänden. Die Frau des Jagdpächters forderte den Fahrer auf, die Arbeit sofort einzustellen, damit die Wiese vorab noch abgesucht werden könne. Der Jagdpächter selbst sowie weitere Helfer waren zu diesem Zeitpunkt noch auf einer anderen Wiese mit der Kitzsuche beschäftigt und wollten gleich im Anschluss daran zur Hilfe kommen, um die betroffene Wiese abzusuchen.

Nachdem der Lohnunternehmer Rücksprache mit dem Landwirt hielt, wies der Landwirt aus Zeit- und Kostengründen den Fahrer an, ohne Suche die Mahd fortzusetzen. Auf der 20 Hektar großen Wiese wurden bei der Mahd drei Rehkitze getötet.

Der Jagdpächter erstattete daraufhin Anzeige. Bei der Vernehmung der Zeugen stellte sich heraus, dass nicht der Lohnunternehmer selbst, sondern ein beauftragter Angestellter des Lohnunternehmers die Wiese gemäht hatte. Das Verfahren wurde gegen den Landwirt und den Angestellten des Lohnunternehmers wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetzt (§ 17 TierSchG) eingeleitet.

Ein Richter des Amtsgerichtes Weilheim i. OB. verurteilte den Landwirt wegen Anstiftung von drei tateinheitlichen Vergehen des Verstoßes gegen das TierSchG (§ 17 TierSchG 26, 52 StGB). Begründet wurde das Urteil, dass trotz des Hinweises von Personen vor Ort weiter gemäht wurde und der Tod der Tiere billigend in Kauf genommen wurde.

Der Landwirt erhielt deshalb eine Strafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro, also insgesamt eine Summe von 2.800 Euro. Die Kosten des Verfahrens sowie die eigenen Auslagen musste der Landwirt selbst tragen. Somit entstanden dem Landwirt insgesamt Kosten in Höhe von 4.000 Euro.

Der beauftragte Fahrer des Lohnunternehmers wurde mit 50 Tagessätze zu je 40 Euro, also insgesamt zu 2.000 Euro verurteilt. Die Kosten des Verfahrens sowie die eigenen Auslagen musste er ebenfalls selbst tragen. Insgesamt entstanden ihm 3.000 Euro Kosten. Begründung: Trotz Hinweis auf mögliche Kitze in der Wiese setzte der Angestellte den Mähvorgang fort und nahm den Tot der Tiere damit billigend in Kauf.

Urteil Landgericht Trier (Az 1 S 183/04) – Landwirt verurteilt

Landwirte sind neben einer Strafe auf Grund des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz auch zu Schadenersatz verpflichtet. Dies geht aus den beiden rechtskräftigen Urteilen des Landgerichts Trier, Zeichen 1 S 183/04 sowie des Amtsgerichts Bitburg, Zeichen 5 C 327/04 hervor. Demnach wurde ein Landwirt zu einem Schadenersatz in Höhe von 1.377,35 Euro (2 x 680 Euro + 17,35 Euro Auslagenpauschale) verpflichtet. Der Landwirt hatte keine Vorsorge getroffen, obwohl er durch einen Jäger darauf hingewiesen wurde, dass sich zwei Kitze in seiner zu mähenden Wiese befänden.

Der Landwirt nahm den Tod der beiden Tiere billigend in Kauf. Nach Auffassung des Gerichts wurden das Jagdausübungsrecht und das damit verbundene Aneignungsrecht des Jägers verletzt. Der hohe Geldbetrag begründet sich durch den Zuchtwert der Rehkitze, da ein Preis für Lebendtiere als Schadensersatz geltend gemacht werden kann. Begründet wurde dies damit, dass es die Absicht des Jägers war die Kitze vor dem Tod zu bewahren. Es musste somit nicht der Preis für Wildbret erstattet werden, sondern der Preis für die Wiederbeschaffung von zwei lebenden Tieren und die damit verbundenen Auslagen. (Hardt, 2014)

Was bleibt zusammenfassend zu den rechtlichen Folgen festzuhalten?

Die hier aufgeführten Rechtsprechungen sind grundsätzlich Einzelfallentscheidung und besonders gravierende Fälle. Die Rechtsprechung zeigt aber den eindeutigen Trend, dass eine Verurteilung sehr wahrscheinlich und naheliegend ist. Wer vorsätzlich oder fahrlässig einen Mähtod herbeiführt, begeht eine Straftat. Landwirte sind verpflichtet, aktiv bei der Rettung von Wildtieren mitzuwirken. Auf Grund der gesetzlichen Hegeverpflichtung laufen sie Gefahr sich strafbar zu machen, insbesondere wenn sie sich mit dem Jäger nicht abstimmen, Termine zum Mähzeitpunkt nicht bekannt geben oder eigene Maßnahmen unterlassen. Hinzu kommt das Risiko, dass  ein Landwirt gegenüber dem Jäger Schadensersatz leisten muss.

Eine Verurteilung zu einer Geldstrafe, unabhängig in welcher Höhe, kann als relativ harmlos betrachtet werden. Erfolgt jedoch eine erneute Verurteilung, gilt die betroffene Person bereits als vorbestraft. Konkret heißt dies, dass bereits bei einer zweiten Verurteilung eine Gefängnisstrafe drohen kann. Auch Lohnunternehmer und deren Angestellte stehen in der Pflicht Vorkehrungen zu treffen. Die Wildtierrettung in Zusammenarbeit zwischen Landwirten, Lohnunternehmern, Jagdausübungsberechtigten und Freiwilligen ist hierfür die Lösung.